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lexikon:schaltwerk

Schaltwerk

Das Schaltwerk ist der Teil einer Kettenschaltung, mit dem die Kette am Hinterrad über die verschiedenen Ritzel geführt wird. Gleichzeitig übernimmt es die Funktion eines Kettenspanners und sorgt dafür, dass die Kette trotz unterschiedlich großer Ritzel nicht durchhängt. Manchmal wird das Schaltwerk irrtümlich auch als "Umwerfer" bezeichnet - der Umwerfer ist aber für den Gangwechsel vorne an den Kettenblättern zuständig.

Sehr frühe Konstruktionen bestanden meist nur aus einem gefederten Hebel, der am Rahmen befestigt wurde, und einem einzelnen Schaltröllchen am Ende des Hebels, dass horizontal bewegt werden konnte. Moderne Varianten sind dagegen als Parallelogramm aufgebaut und verwenden einen drehbar gelagerten Schaltkäfig mit zwei Schaltröllchen, wovon eines zum Spannen der Kette dient (Spannröllchen oder "Tension Pulley") und das zweite für die Führung der Kette entlang der Ritzel (Führungsröllchen oder "Guide Pulley").

Das Arbeitsprinzip ist unbabhängig vom jeweiligen Modell immer das selbe: Soll die Kette auf ein kleineres oder grösseres Ritzel gelegt werden, wird durch Spannen oder Lockern des Schaltzuges der Schaltkäfig mit den Röllchen horizontal bewegt. Die Kette wird dadurch soweit zur Seite gedrückt, bis sie auf das nächste Ritzel fällt oder vom nächsten Ritzel erfasst wird.

Beim Wechsel der Röllchen sollte darauf geachtet werden, dass sie unterschiedlich ausgeführt sind - das Führungsröllchen ist meist schmaler oder hat ein leichtes, horizontales Spiel, um die Schaltvorgänge zu erleichtern und kleine Abweichungen bei der Spannung des Schaltzuges auszugleichen. Die horizontale Beweglichkeit des oberen Führungsröllchens, wie sie bei den meisten Shimano-Schaltwerken anzutreffen ist, ist also keine Verschleißerscheinung oder ein Fehler, sondern durchaus beabsichtigt. Werden zwei identische Exemplare verbaut, ist mehr Sorgfalt bei der Einstellung des Schaltzuges nötig und Schaltvorgänge können insgesamt etwas "knackiger" ausfallen.

Bei der Auswahl eines Schaltwerks sind mehrere Merkmale entscheidend:

Kapazität: Die Kapazität gibt an, welche Differenz der Kettenlänge zwischen dem kleinsten und grössten Gang maximal ausgeglichen werden kann und wird durch die Länge des Schaltkäfigs vorgegeben. Häufig findet man von Schaltwerken auch unterschiedliche Varianten mit langem Käfig ("long cage") für Mountainbikes und Trekkingräder und kurzem Käfig ("short cage") für Rennräder.

Beispiel: Ein Schaltwerk mit hat eine Kapazität von 18 Zähnen. Wenn das grösste Ritzel 32 Zähne hat und vorne nur ein Kettenblatt verwendet wird, kann man bis auf ein Ritzel mit 14 Zähnen schalten, ohne dass die Kette durchhängt.

Kommt zusätzlich vorne ein Umwerfer dazu, der die Kette auf verschieden grosse Kettenblätter legt, muss man die Gesamtdifferenz aus kleinstem Ritzel und kleinstem Kettenblatt sowie grösstem Ritzel und grösstem Kettenblatt betrachten.

Die Kapazitätsangaben sind meist recht konservativ und dürfen in der Regel auch leicht überschritten werden. Schlimmstenfalls hängt die Kette in der Kombination "klein-klein" durch - da diese Kombination (kleinstes Ritzel und kleinstes Kettenblatt) wegen des starken Schräglaufs der Kette in der Praxis ohnehin nicht gefahren werden sollte, ist das aber kein echtes Problem.

Neigung: Das Parallelogramm eines Schaltwerks ist darauf ausgelegt, das Schaltröllchen möglichst nahe an den Ritzeln entlangzuführen. Ein typisches Rennrad-Schaltwerk wird daher eher "flach" arbeiten, da die Ritzelgrössen nicht stark voneinander abweichen, während ein typisches Mountainbike-Schaltwerk sich eher "steil" bewegt, da an Mountainbikes oft eine grosse Differenz bei den Ritzelgrössen üblich ist. Eine Kombination mit einem nicht optimal passendem Schaltwerk ist grundsätzlich zwar möglich, oft wird aber das Schaltverhalten in Richtung der kleineren oder grösseren Übersetzung schlechter ausfallen.

Übersetzungsverhältnis Schalthebel/Schaltwerk: Bei Friktionschalthebeln ohne Rasterung spielt dieser Faktor keine Rolle, da man das Schaltwerk "stufenlos" so weit bewegen kann, wie nötig. Moderne Schaltungen sind aber meist mit gerasterten Schalthebeln ausgestattet, so dass das Schaltwerk nur auf festgelegte Positionen bewegt werden kann. Damit die Schaltung funktioniert, müssen diese Positionen stimmen. Das gelingt nur, wenn das Übersetzungsverhältnis zwischen dem Schalthebel und dem Schaltwerk zusammenpassen. In der Regel weisen die Komponenten eines Herstellers alle den selben Hebelweg auf. Herstellerübergreifend gibt es aber oft Unterschiede - so sind Shimano-Schalthebel nicht unbedingt mit Campagnolo-Schaltwerken benutzbar und SRAM verwendet bei seinen Schaltwerken ebenfalls eine andere Übersetzung.

Die Anzahl der zu schaltenden Gänge ist dagegen beim Schaltwerk (mit Ausnahme alter Positron-Schaltwerke) unbedeutend - die Rasterung erfolgt im Schalthebel und nicht im Schaltwerk. Man kann daher in der Regel auch auf eine größere Ritzelzahl umrüsten, wenn man den passenden Schalthebel montiert, ohne ein neues Schaltwerk zu verwenden. Einzig die Breite der Kette kann im Einzelfall problematisch sein, wenn man z.B. ein "9-fach"-Schaltwerk mit schmalem Schaltkäfig zusammen mit einer breiten 7-fach-Kette verwenden will. Es ist aber in der Regel kein Problem, einfach eine schmalere Kette zu verwenden oder die Schaltröllchen durch etwas breitere Exemplare von Drittanbietern auszutauschen.

"Paradox" oder "Rapid Rise"

Unter den Namen "Paradox" und "Rapid Rise" hat Shimano eine Variante von Schaltwerken vermarktet, die "verkehrt" herum arbeiten, wobei die selben Schalthebel weiterhin nutzbar sind - man muss nur beachten, dass die Richtung, in die man auf kleinere oder grössere Ritzel schaltet, genau umgekehrt ist. Shimano gibt hier auch "Low Normal" als Eigenschaft an - der kleinste Gang (Low) ist die Ausgangsposition des Schaltwerks.

Normalerweise ist die Ausgangsposition von Schaltwerken aussen, über dem kleinsten Ritzel. Wenn der Schaltzug gespannt wird, wird das Schaltwerk nach innen, in Richtung des grössten Ritzels gezogen. Verantwortlich dafür ist eine Feder innerhalb des Parallelogramms, die entsprechend angebracht ist.

Bei "Paradox" oder "Rapid Rise" wird einfach die Feder anders herum montiert, so dass die Ausgangsposition innen, über dem grössten Ritzel ist und man durch Spannen des Schaltzugs auf die kleineren Ritzel schaltet. Die Idee ist, dass man dadurch im Stand oder bei langsamer Fahrt einen kleineren Gang "vorwählen" kann, weil das Schaltwerk nicht mehr durch Zugspannung "gewaltsam" in Richtung der grösseren Ritzel bewegt werden muss. Manche Schaltwerke (namentlich die "Nexus"-Reihe) haben zusätzlich eine gefederte Zugaufhängung, die dafür sorgt, dass auch das Spannen des Schaltzugs möglich ist, ohne das Schaltwerk sofort zu bewegen, so dass Gangwechsel im Stand in beide Richtungen möglich sind.

Abbildungen

Shimano Positron-Schaltwerk
Shimano Positron-Schaltwerk aus den späten 1970ern

Shimano Acera-Schaltwerk, montiert
Shimano Acera-Schaltwerk

suntour-rd-s110.jpg
Suntour RD-S110 mit Montage an der Kettenstrebe

lexikon/schaltwerk.txt · Zuletzt geändert: 2014-01-25 01:44 UTC von awelzel