Wer es selber nicht ausprobiert hat, wird vermutlich sagen "Du bist doch verrückt", wenn man erzählt, daß man auch im Winter regelmäßig auf dem Fahrrad unterwegs ist. Tatsächlich kann man aber auch bei Eis und Schnee durchaus gut fahren, wenn man einige Dinge beachtet.
Auch wenn es sich im ersten Moment leichtsinnig anhört - Fahrradfahren im Winter hat durchaus seine Vorzüge:
Man muß es einfach mal ausprobieren - mit der richtigen Ausrüstung und angepasster Fahrweise können Fahrten im Winter durchaus eine angenehme Abwechslung sein.
Vorweg: wer es sich leisten kann, sollte für die Wintermonate ein zweites Fahrrad bereithalten. Das erspart zeitaufwändige Umrüstungen und man kann dafür ein Fahrrad nehmen, das entsprechend ausgestattet ist.
Im Winter hat man zwei Probleme: Kälte und glatter Untergrund aus Eis und Schnee. Die Kälte lässt Schmiermittel in Lagern zäh werden und Wasserrückstände in Bowdenzügen und Lagern gefrieren. Der glatte Untergrund erfordert eine passende Bereifung.
Generell sollte man Wechsel zwischen "kalt" und "warm" vermeiden, wenn man das Fahrrad nicht lange genug unterstellen kann, um es trocknen zu lassen - Schnee und Eis, die am Fahrrad haften, tauen ab und das Wasser dringt in Bowdenzüge oder Lager ein und gefriert zu Eis, wenn man das Fahrrad dann wieder benutzt, bevor sich die Feuchtigkeit verflüchtigt hat.
Gerade im Winter ist eine gute Beleuchtung sinnvoll - die Tage sind kurz und auch tagsüber können die Sichtverhältnisse schlechter sein, als im Sommer. Aufgrund der niedrigen Temperaturen sind Akku- oder Batterielichter problematisch, wenn man die Akkus/Batterien nicht regelmässig an einem warmen Platz lagern kann. Die Kapazität vieler Akkus ist bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt oft deutlich reduziert.
Eine empfehlenswerte Alternative ist daher eine fest montierte Lichtanlage mit Nabendynamo, LED-Scheinwerfer und LED-Rücklicht mit Standlichtfunktion. LEDs erzeugen bereits bei geringem Tempo deutlich sichtbares Licht und haben eine nahezu "unendliche" Lebensdauer. Wichtig ist dabei, daß der Nabendynamo auch im Winterbetrieb nicht "einfriert" (siehe auch den nächsten Abschnitt über "Naben") und daß die Verkabelung stabil ausgeführt ist (doppeladrig und dicht am Rahmen verlegt).
Zähe Schmiermittel können dazu führen, daß die Sperrklinken von Freiläufen entweder nicht mehr richtig greifen oder umgekehrt, nach einer längeren Fahrt, sich nicht mehr lösen. Auch Nabenschaltungen können bei tiefen Temperaturen "einfrieren", was dann dazu führt, daß Gangwechsel nur noch sehr verlangsamt oder gar nicht mehr funktionieren.
In der Regel hilft in so einem Fall nur der Ersatz des Schmiermittels durch eine dünnflüssigere Variante - also z.B. Öl statt Fett. Das lässt sich aber nicht immer so leicht bewerkstelligen, da man hierfür Naben öffnen muß oder man gar nicht so einfach an die relevanten Stellen kommt. Man sollte daher für den Winter-Einsatz Komponenten verwenden, die in dieser Beziehung nicht so anfällig sind. Als sehr vorteilhaft hat sich bei mir der Einsatz eines Schmidt Nabendynamos und einer Hinterradnabe mit Rillenkugellagern und Zahnscheibenfreilauf herausgestellt - konkret eine DT Swiss 340 mit "Hügi"-Freilauf. Die Zahnscheiben können zwar prinzipiell auch "einfrieren", aber die Wartung ist in so einem Fall viel einfacher, da man den Freilaufkörper samt Ritzel ohne Werkzeug einfach von der Nabe abziehen kann, um das Fett durch ein leichteres Schmiermittel zu ersetzen.
Feuchtigkeit in Bowdenzügen kann zu Eis gefrieren und die Züge schwergängig machen oder komplett blockieren. Dadurch können Bremsen versagen und Schaltungen aller Art lassen sich entweder gar nicht mehr benutzen oder Gangwechsel erfolgen sehr langsam.
Generell sollte man daher das Eindringen von Wasser vermeiden - dabei helfen gedichtete Endkappen, sei es nun mit "Nase" oder solche mit Gummiring. Zusätzlich ist die Verwendung von WD40 sinnvoll, daß man großzügig in die Zughülle sprüht - WD40 verdrängt die Feuchtigkeit und hat nebenbei eine schmierende Wirkung.
Bei Winterfahrrädern empfiehlt sich auch die geschlossene Verlegung von Seilzughüllen auf die gesamte Länge, so daß es keine freiliegenden Seilzugsegmente gibt. Eine absolute Katastrophe können u-förmig verlegte Seilzughüllensegmente sein, wie sie beispielsweise bei gefederten MTB Rahmen unter dem Tretlager vorkommen können. Dies garantiert praktisch das Totalversagen der Schaltung bei Einsatz unter salzigen schmutzigen Schneematschbedingungen, da Salzwasser und Dreck sehr leicht in den beidseitig offenen Seilzughüllenbogen eindringen können, sich dort ansammeln und den Seilzug mit der Zeit irreversibel festfressen lassen, so daß eine komplette Neuverlegung nötig wird.
Bei sehr tiefen Temperaturen können Bremsklötze recht hart werden, was eine verminderte Bremswirkung zur Folge hat. Hier ist es von Vorteil, generell "weiche" Bremsklötze einzusetzen, wie z.B. die "lachsfarbenen" von Kool Stop.
Wenn man die Anschaffung eines zweiten Fahrrads als "Winterrad" in Betracht zieht, sollte man an andere Bremsen denken - hydraulische Scheibenbremsen oder Trommel-/Rollenbremsen sind im Winter deutlich problemloser.
Im Sommer ist ein Profil auf den Reifen meistens überflüssig, da der Kontakt zwischen Gummi und Asphalt vollkommen ausreicht - im Gegenteil: Stollenprofile sind eher hinderlich. Ganz anders im Winter - ein Stollenprofil oder noch besser Stollen mit Spikes sind das Mittel der Wahl.
Sofern man kein separates "Winterrad" hat, sollte man beim Reifenwechsel beachten, daß die Stollen- oder Spikereifen bei gleicher Nennbreite u.U. etwas mehr Platz brauchen. Schutzbleche müssen breit genug sein und sollten, wenn möglich, auch etwas mehr Abstand zum Reifen bekommen, damit sich Schnee nicht so schnell zwischen Reifen und Schutzblech festsetzt.
Spikereifen werden von verschiedenen Herstellern in diversen Größen und Ausstattungsvarianten angeboten, siehe dazu auch Reifen.
Man sollte aber bedenken - auch Spikes sind keine absolute Garantie gegen Wegrutschen! Besondes bei feuchtem Schnee muss man sowohl mit Stollen als auch mit Spikes weiterhin den rutschigen Untergrund bedenken. Spikes entfalten ihre Wirkung vor Allem auf vereisten Flächen.