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Sitzposition auf dem Fahrrad

Anmerkung dazu: Das Thema "Sitzen" - wenn auch mit Schwerpunkt "Sattel" - wird auch auf http://www.fa-technik.adfc.de/Ratgeber/Sitzen/ recht ausführlich behandelt.

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Einstellung der Sitzposition auf einem konventionellen Fahrrad. Liegeräder und Spezialräder sind von diesen Empfehlungen nicht betroffen.

Die Sitzposition auf einem Fahrrad ist sehr persönlich. Von Fahrer zu Fahrer kann sie trotz nahezu gleicher Körpermaße drastisch abweichen. Hier werden einige Tipps gesammelt, um einen Startpunkt zu finden. Nur durch Ausprobieren (viel fahren) kann die Sitzposition gefunden werden, die einem persönlich am angenehmsten ist.

Unterschiedliche Fahrstile

Der persönliche Fahrstil und der Typ des Fahrrads haben Einfluss auf die Sitzposition. Während der Eine eher sportlich fährt ist ein Anderer eher gemütlich unterwegs. Schon an der Sitzposition erkennt man, wie unterschiedliche Fahrer unterwegs sind.

Sportlich / Rennrad

Im Kampf um tausendstel Sekunden zählt jedes Bisschen. Dementsprechend versucht der ambitionierte Rennradfahrer den Luftwiderstand zu verringern. Dazu streckt er den Oberkörper gerade nach vorne, bis in die Horizontale. Die Arme werden dicht an den Oberkörper heran gezogen, was durch die typische Form des "Rennlenkers" unterstützt wird.

Sportlich / Triathlon

Triathleten sind in jeder Hinsicht extrem - Schwimmen, ein (Halb-)Marathon und über hundert Kilometer Rad fahren… Die Fahrräder dafür entsprechen etwa den Zeitfahrrädern bei Profirennen und sind meist mit Liege-Aufsatz auf dem Lenker ausgestattet, mit dem die Arme noch dichter an den Oberkörper herangezogen werden können, um den Luftwiderstand weiter zu verringern.

Sportlich / Reiserad

Im Gegensatz zu den Triathleten sind Reiseradler nicht auf möglichst schnelle Fahrräder aus, sondern auf eine bequeme und effiziente Sitzposition für langen Strecken - nach vorne geneigter Oberkörper und häufig "Rennlenker" oder mindestens Lenker-Hörnchen (manchmal auch Tria-Liege-Aufsätze), um während der Fahrt zwischen verschiedenen Griffpositionen wählen zu können.

Sportlich / Mountain-Bike

Die "natürliche" Umgebung für Mountain-Bikes sind fahrtechnisch anspruchsvollere Gelände, die eine gute Kontrolle über das Fahrrad erfordern. Der Sattel ist eher tiefer eingestellt und die Lenker sind breit und gerade, manchmal völlig ohne jegliche Biegung ("Besenstiellenker"), um Lenkmanöver im Gelände zu erleichtern. Lenker-Hörnchen werden eingesetzt, um bei Bedarf an Anstiegen mehr Kraft auf die Pedale zu bekommen, während man sich am Lenker festhält.

Fahren im Alltag

Alltagsfahrer sind oft auf mehr oder weniger aufgerüsteten "Trekking-Bikes" unterwegs. Die Sitzposition ist moderat, leicht nach vorne geneigter Oberkörper.

Gemütliches Fahren

Gemütliche Fahrer erkennt man meist an ihrer sehr aufrechten Körperhaltung. Der Oberkörper zeigt nahezu kerzengerade nach oben, es wird langsam getreten und langsam gefahren. Die Lenker sind höher als der Sattel und mit den Enden nach hinten gebogen, um eine entspannte Haltung der Hände zu unterstützen.

Anatomie

Füße und Beine

Die erste Schnittstelle zwischen Mensch und Fahrrad sind die Füße. Der Ballen sollte über der Mittelachse des Pedals stehen. Die Füße sind parallel, die Ferse ist höher als der Ballen.

Die Knie sollten im Verlauf einer Pedalumdrehung etwa über den Füßen bleiben. Im Verlauf einer Pedalumdrehung sollten sich die Knie auf und ab bewegen, nicht aber hin und her. Im Punkt der tiefsten Pedalstellung sollten die Beine gerade sein, aber nicht durchgestreckt.

Sitzfleisch

Der Sattel ist ein entscheidender Punkt, auf diesem sitzt der Radfahrer oft mit dem größten Teil seines Gewichts. Um einen schmerzfreien Sitz zu gewährleisten ist es wichtig, dass diese Verbindung passt. Der Mensch ist mit Sitzknochen ausgestattet, die in der Lage sind, das gesamte Körpergewicht zu tragen. Ein besonders weicher Sattel ist hier ebenso problematisch wie ein zu schmaler Sattel, dann wird das Körpergewicht nämlich vom weichen Gewebe zwischen den Sitzknochen getragen. Auf kurzen Strecken ist das irrelevant, auf langen Strecken führt das zu Taubheit und Druckstellen. Bei einem zu breiten Sattel scheuert man sich auf längeren Strecken die Schenkelinnenseiten auf.

Auf der anderen Seite werden über den Sattel Vibrationen und Stöße übertragen, ein zu harter Sattel kann dadurch zu blauen Flecken im Bereich der Sitzknochen führen. Im letzten Jahrtausend gab es eine Erfindung, die genau dieses Problem beseitigt hat. Da wurden in den Sattel Federn eingebaut, die ein komfortables Fahren auch auf rauhen Straßen ermöglichten. Weil sie nicht "sportlich" genug erscheinen sind sie kaum noch zu finden. Dennoch sind sie durchaus eine Überlegung wert.

Oberkörper

Die Vibrationen und Stöße aus dem Sattel werden über die Hüfte an die Wirbelsäule weitergegeben. Bei einer sehr aufrechten Körperhaltung wird daher die Wirbelsäule auf Druck belastet, bei vornüber geneigter Haltung auf Biegung.

Bei geneigter Haltung werden die Haltemuskeln der Wirbelsäule in das Auffangen der Vibrationen einbezogen, die halten das aus - wenn sie trainiert sind. Wie immer gilt: die Wirbelsäule sollte gerade gehalten werden - starke Knicke oder ein "Katzenbuckel" sind zu vermeiden.

Die Neigung des Oberkörpers wird durch zwei Faktoren eingestellt: den Abstand zwischen Lenker und Sattel sowie die Höhe des Lenkers in Bezug auf den Sattel.

Arme und Hände

Die letzte Schnittstelle zwischen Fahrrad und Fahrer sind die Hände. Auch hier werden Vibrationen übertragen. Außerdem tragen die Hände bei geneigtem Oberkörper einen Teil des Körpergewichts. Die Handgelenke sollten gerade gehalten werden, mit möglichst wenig Knick. Dabei können besondere Griffe (wie z.B. Ergon) unterstützend wirken.

Die Muskeln im Bereich der Schultern sollen derart entspannt sein, dass sie Vibrationen aufnehmen können.

Kopf

Die Haltungs des Kopfs hängt davon ab, wie weit der Oberkörper nach vorne geneigt wird. Bei sportlicheren Sitzpositionen muss man den Kopf nach oben ziehen, um gerade aus schauen zu können - das kann bei untrainierten Fahrern auf längeren Strecken zu Schmerzen im Nackenbereich führen und ist vermutlich einer der Gründe, weshalb eine sportlichere Haltung mitunter als unbequem empfunden wird. Hier hilft nur - trainieren!

Sattel

Sattelhöhe

Frei nach einem Artikel von Sheldon Brown dazu: Wenn der Sattel nicht zu hoch ist, ist er vermutlich zu niedrig eingestellt. Viele Menschen glauben, dass der Sattel dann richtig eingestellt ist, wenn man mit den Beinen noch bequem den Boden erreicht - das ist in den meisten Fällen viel zu niedrig! Entscheidend ist nicht der Abstand vom Sattel zum Boden, sondern vom Sattel zu den Pedalen. Ob man bei richtiger Einstellung dann noch bequem ein Bein auf den Boden stellen kann, hängt vom Fahrrad ab.

Wie weiter oben erwähnt, sollten die Beine am untersten Punkt der Pedalumdrehung gerade sein, aber nicht durchgestreckt. Als Grundstellung sollte der Sattel so eingestellt sein, dass man ein Bein mit der Ferse auf ein Pedal stellt und das Bein mit dem Pedal in der tiefsten Position durchstreckt. Diese Position sollte möglich sein, ohne dass man das Becken seitlich abkippt oder auf dem Sattel herumrutscht. Es ist eine gute Idee, sich dabei an einer Wand o.Ä. mit der Hand abzustützen, damit das Fahrrad aufrecht steht und man sich nicht mit dem anderen Bein am Boden absützt.

Je nach Fahrstil kann der Sattel von dieser Grundstellung aus geringfügig tiefer (leichteres Anhalten an Ampeln im Stadtverkehr) oder höher gestellt werden (meist die angenehmere Variante für längere Fahrten). Die Grundeinstellung wird so lange verändert, bis die Höhe beim Fahren angenehm ist. Dabei sollte man in kleinen Schritten vorgehen - also immer nur 1-2 cm pro Versuch und danach ausgiebig die neue Position ausprobieren.

Sattelneigung

Im Normalfall ist die Oberseite des Sattels parallel zum Boden. Manche Leute bevorzugen es, wenn die Spitze des Sattels nach unten zeigt (dann muss man mehr Kraft mit Armen aufbringen, um sich im Sattel zu halten). Oft sieht man Sattel, die vorne nach oben zeigen. Dadurch rutscht man nicht so leicht nach vorne, aber es wird auch mehr Druck auf den Bereich vor den Sitzknochen ausgeübt, was auf längeren Strecken problematisch sein kann. Ein anderer, "rutschfesterer" Sattel ist oft die bessere Wahl.

Sattel vorwärts / rückwärts einstellen

Unterm Sattel gibt es meistens Schienen, an denen sich der Sattel vor und zurück schieben lässt. Damit wird der Sattel so geschoben, dass die Anforderung "Knie über den Füßen" erfüllt wird.

Lenker

Vorbau

Der Vorbau ist der Teil des Fahrrads, an dem der Lenker befestigt wird. Durch die Form des Vorbaus wird sowohl die Höhe des Lenkers als auch der Abstand vom Lenker zum Sattel beeinflusst. Darüber hinaus bringt er den Lenker aus der Lenkachse heraus nach vorne, was Einfluß auf die Stabilität des Fahrrads hat. Jedes Fahrrad ist nur mit Vorbauten in einem bestimmten Längenbereich sinnvoll fahrbar.

Ein Schönheitsideal bei Rennrädern besagt, dass der Vorbau parallel zum Oberrohr verlaufen soll. Deshalb weisen alte Rennräder Vorbauten auf, die wie eine "7" gebogen sind. Bei modernen Rennrädern ist dieses Detail leider kaum noch zu beobachten.

Wichtig: Es gibt Lenker in verschiedenen Durchmessern - der Vorbau muss genau dazu passen, andernfalls besteht die Gefahr, dass der Lenker durch die Vorbauklemmung beschädigt wird und bricht! Auch sollte man bei neuen Vorbauten genau prüfen, dass die Vorbauklemmung keine Grate enthält, die später Kerben im Lenker verursachen, was ebenfalls zu einem Bruch des Lenkers führt!

Lenkerhöhe

Bei klassischen Vorbauten wird die Höhe dadurch geändert, dass man den Vorbau mit seinem Schaft mehr oder weniger tief in den Gabelschaft hineinsteckt. Wichtig: Der Vorbau darf nur bis zur Markierung am Schaft herausgezogen werden und sollte wenigstens 5 cm im Gabelschaft stecken! Ist die so erreichbare Höhe noch zu niedrig, muss ein Vorbau mit längerem Schaft verwendet werden.

Beim neueren "AHeadSet"-System mit gewindelosem Gabelschaft wird der Vorbau auf den Gabelschaft gesteckt und mit einer Aussenklemmung fixiert. Die Höhe kann nur dadurch geändert werden, dass man zwischen dem Vorbau und dem Steuersatz Zwischenringe einfügt oder weglässt. Da der mögliche Einstellbereich technisch bedingt hier nur sehr klein ist (oft nur wenige cm), muss man ggf. einen anderen Vorbau oder eine Verlängerung für den Gabelschaft verwenden, wenn der Lenker zu tief ist. Daneben gibt es noch das "Speedlifter"-System mit dem eine ähnliche Verstellbarkeit wie bei klassischen Vorbauten erreicht wird.

Solange man die ideale Position des Lenkers noch nicht endgültig gefunden hat, oder wenn ein Fahrrad durch mehrere Leute genutzt wird (z.B. bei Leihfahrrädern) kann ein "einstellbarer" Vorbau hilfreich sein.

Anbauten - Hörnchen

Bei den Hörnchen gilt, was für die Hände sonst auch gilt: möglichst keinen Knick im Handgelenk. Dazu sollten sie eher nach vorne als nach oben zeigen. Die Hörnchen sind nicht dazu geeignet, um ein - von sich aus nicht passendes - Fahrrad anzupassen. Wenn die Hörnchen also komplett nach oben zeigen (oder gar nach hinten), um eine angenehme Körperhaltung zu ermöglichen, ist der Lenker zu niedrig eingestellt oder zu weit vorne. Statt solcher ungeeigneter Notlösungen sollte man besser einen passenden Vorbau mit ausreichend langem Schaft oder eine Verlängerung für den Gabelschaft verwenden.

Anbauten - Zeitfahraufsatz / "Triathlon-Aufsatz"

Es gibt Aufsätze für den Lenker, auf denen man die Unterarme legen kann, um die Arme dichter an den Oberkörper heranzuziehen. Das dient dazu, den Luftwiderstand für Zeitfahrten zu verringern. Die Benutzung dieser Aufsätze führt dazu, dass man das Fahrrad ausschließlich durch Gewichtsverlagerung mit dem Oberkörper steuert und nicht durch Bewegen des Lenkers. Daraus ergibt sich, dass diese Aufbauten nur bei zügiger Fahrt auf überschaubaren Strecken genutzt werden können. Schnelle Ausweichmanöver sind schwierig bis unmöglich. Im Alltags-Gebrauch beschränkt sich die Nutzung dieser Aufsätze also auf ruhige und übersichtliche Wege.