Transkript zur RWP-Petition

Siehe dazu auch Unsichere Radwege

Transkript der Anhörung zur Petition gegen die Radwegebenutzunspflicht im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 18. Februar 2008

Jens Müller
12. August 2008

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Und wir kommen zu Nummer fünf. Dort ist Herr Christian Marten anwesend. Mit der öffentlichen Petition begehrt der Petent eine Umwandlung der in § 41 Absatz 2 Nr. 5a Straßenverkehrs-Ordnung geregelten Benutzungspflicht von Sonderwegen für Radfahrer in ein Benutzungsrecht. Herr Ledebrink, nein Entschuldigung, Herr Marten hat fünf Minuten Zeit, uns einzuführen. Bitte schön.

Christian Marten (stellv. Petent): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, vielen Dank. Herr Ledebrink ist leider nicht da. Ich möchte nochmal klarstellen: Ziel dieser Petition ist es nicht, Radwege abzuschaffen, sondern Ziel dieser Petition ist es, die Radwegbenutzungspflicht abzuschaffen. Die Radwegbenutzungspflicht wird in Deutschland damit begründet, dass das Fahren auf Fahrradwegen sicherer sei als das Fahren auf der Fahrbahn. Als sie eingeführt wurde in den 1930er Jahren, wurde sie damit begründet, dass man den Radverkehr weg von der Fahrbahn haben wollte. Das ist heute nicht so, sondern sie wird ausschließlich mit der Sicherheit der Radfahrer begründet.

Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigen aber, dieser Sicherheitsgewinn von Radwegen lässt sich nicht nachweisen. Im Gegenteil ist es so, dass Radwege viele grundsätzliche Probleme haben, die auf der Fahrbahn nicht existieren. So ist es so, dass die Sichtbeziehung zwischen Radfahrern auf dem Radweg und Autofahrern gestört wird. Beispiel dafür: Ein einbiegender Autofahrer hält auf dem Radweg an, um in die Straße einzusehen, oder ein abbiegender Autofahrer sieht den Radweg nicht, sieht den Fahrradfahrer auf dem Radweg nicht, dem er eigentlich Vorrang gewähren muss. Solche Schwierigkeiten sorgen dafür, dass die Mehrzahl der schweren Fahrradunfälle auf Radwegen geschieht. Insbesondere linksseitige Radwege sind eine der Hauptunfallursachen, oder die Benutzung von linksseitigen Radwegen ist eine der Hauptunfallursachen. Das wurde auch in dem Polizeibericht, der letzte Woche für Berlin veröffentlicht wurde, rausgestellt. Die Hauptunfallursache ist dort: falsche Benutzung der Straße, sprich, fahren auf linksseitigen Radwegen, fahren auf Bürgersteigen, eben fahren dort, wo nicht mit Verkehr gerechnet wird.

Es besteht umgekehrt keine Möglichkeit für die Straßenverkehrsbehörden, das Vorhandensein eines Radwegs anzuzeigen, ohne dass dadurch eine Benutzungspflicht angeordnet wird. Sobald ein Radweg durch ein blaues Schild angezeigt wird, das Vorhandensein eines Radweges angezeigt wird, wird dadurch gleichzeitig eine Benutzungspflicht angeordnet. Dies gilt insbesondere für linksseitige Radwege. Wenn linksseitig ein Radweg freigegeben werden soll, dann muss er gleichzeitig benutzungspflichtig sein.

Frage aus dem Auditorium, was linksseitige Radwege sind.

Christian Marten (stellv. Petent): Wir haben in Deutschland Rechtsverkehr. Das heißt, es gibt Radwege, die verlaufen auf der rechten Seite der Fahrbahn. Das sind rechtsseitige Radwege. Und es gibt Radwege, die verlaufen auf der anderen Seite. Ich als Radfahrer werde in manchen Fällen gezwungen, eben das Rechtsfahrgebot ein Rechtsfahrgebot sein zu lassen und auf der linken Seite zu fahren, womit mir nicht gerechnet wird. Darum Hauptunfallursache.

Es wird argumentiert, Radwege dienen … Bis 1998 galt in Deutschland eine allgemeine Radwegbenutzungspflicht. Die wurde mit der StVO-Novelle von 1997 gekippt und durch eine, dem Gesetz nach, Ausnahmeregelung ersetzt. Die Ausnahme sieht eben vor, dass Radwege generell nicht mehr benutzungspflichtig sind, sondern nur dann, wenn sie durch das blaue Schild benutzungspflichtig gemacht wurden. Das ist heute die Regel. Die wenigstens Radwege sind lediglich freigegeben, die allermeisten Radwege sind tatsächlich benutzungspflichtig. Obwohl vom Gesetzgeber gewollt ist, dass dieses eine Ausnahme darstellt – die Benutzungspflicht. Das mag mit daran liegen, dass man gerne deutlich auf Radwege hinweisen möchte; das eben nicht kann, ohne gleichzeitig die Benutzungspflicht anzuordnen. Im Gegenteil ist es heute die Regel, dass Radwege an Straßen benutzungspflichtig beschildert werden. Es ist heute die Regel, obwohl es die Ausnahme sein sollte. Darum ist die Forderung der Petition, diese generelle Radwegbenutzungspflicht aus der StVO herauszunehmen. Wenn es wirklich notwendig ist, eine Fahrbahn für den Radverkehr zu sperren, dann gibt es auch heute schon das Schild »Für Radfahrer verboten«, so dass man das dann als intendiertes Verbotsschild auch zeigen kann. Gut.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön Herr Marten für Ihre Ausführungen. Als erster hat Herr Storjohann das Wort.

Gero Storjohann (stellv. Vorsitzender P, VBS, CDU): Herzlichen Dank, Herr Ledebrink. Jeder hat so seine Sicht der Dinge. Ich komme vom Lande. Ich freue mich immer riesig, wenn wir einen neuen Fahrradweg irgendwo kriegen – an Bundesstraßen, an Landstraßen. Die sind sehr aufwendig gemacht. Da gibt es keine Einfahrten, da gibt es kein Wurzelwerk, also keine gefährlichen Situationen. Es gibt dann auch keine Unfälle mehr. Und trotzdem freue ich mich, wenn dann die Fahrradfahrer diesen Weg benutzen und nicht dann doch noch immer auf der Landstraße fahren. Dann gibt es auch die Situation, dass die Autofahrer diese Fahrradfahrer anhupen, und, und, und. Also, wir müssen da sehr viel Aufklärungsarbeit leisten, wie überhaupt die rechtliche Situation ist.

Nur ist ja letzte Woche hier in Berlin auch der Unfallbericht vorgestellt worden. Und nach meinen Unterlagen – ich fahre ja nun auch viel hier in Berlin Fahrrad; viele gefährliche Situationen – unterliegen 75% der Fahrradwege hier in Berlin nicht der Benutzungspflicht. Das ist eine andere Aussage als Ihre eben, wo Sie gesagt haben, das ist genau andersrum. Die meisten Fahrradwege unterliegen der Benutzungspflicht. Nun ist die Frage: Wo ist jetzt unser Handlungsbedarf? Wenn es praktisch keine Benutzungspflicht mehr gibt, und da, wo es sie gibt, ist sie wohl begründet, ist es eigentlich geregelt. Das ist mein Problem. Und ich möchte nicht generell im ländlichen Bereich die Benutzungspflicht aufheben. Deswegen habe ich ein Problem, generell, so wie Sie es fordern, Ihnen zu folgen. Deswegen ja auch heute das Gespräch, dass wir das noch vertiefen, ob Ihr Blick jetzt mehr auf den städtischen Bereich gerichtet ist, oder ob Sie für den ländlichen Bereich das auch so sehen mit der Aufhebung der Benutzungspflicht.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön Herr Storjohann. Herr Hettlich, als zweiter Berichterstatter, bitte?

Peter Hettlich (stellv. P, stellv. Vorsitzender VBS, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, vielen Dank Frau Vorsitzende. Sehr geehrter Herr Marten, ich hab das so verstanden, dass Sie in Ihrer Petition primär auf den innerörtlichen Verkehr abheben. Denn ansonsten kann ich nur meinem Kollegen Storjohann zustimmen, wenn es über den, gerade die, begleitenden Fahrradwege an Bundesstraßen so geht, dann kann ich eigentlich nicht erkennen, wieso man hier beispielsweise von der Radwegebenutzungspflicht irgendwie Abstand nehmen sollte. Ich glaube das ist irgendwie absurd, aus meiner Sicht jedenfalls.

Aber innerorts sehe ich das durchaus so, dass wir uns in einer trügerischen Sicherheit gewogen haben, indem wir die Verkehrsteilnehmer voneinander getrennt haben und der Autofahrer fährt, braucht sich nicht mehr 'nen Kopp machen, ob jetzt irgendwie noch ein Fahrradfahrer da kommt, oder ein Fußgänger – und dann sehe ich natürlich die Fußgänger als schwächstes Glied in der Kette, auch zum Teil von Fahrradwegen, die auf dem ehemaligen Bürgersteig jetzt verlaufen dann an den Rand gedrängt, übrigens auch von Fahrradfahrern relativ rücksichtslos auch bedrängt und auch die Frage von Einhaltung der Verkehrsregeln an dieser Stelle sollte man auch durchaus, auch wenn ich selber viel Fahrrad fahre, also durchaus berücksichtigen.

Ich will deswegen die Frage nochmal stellen zu dieser Grenze – dieser »magischen« Grenze – von zwanzigtausend Fahrzeugen – auch an die Bundesregierung –, ob sie beispielsweise sehen können, dass es da einen Interpretationsspielraum im Rahmen der Straßenverkehrs-Ordnung gibt. Und wie das dann in der Praxis dann auch letztlich gehandhabt wird. Wenn also, wie der Kollege Storjohann darauf hinweist, dass 75% der Fahrradwege hier in Berlin nicht benutzungspflichtig sind, dann muss man sich fragen, auf was für einer Basis – beispielsweise der Straßenverkehrs-Ordnung – wird das vertreten. Also das würde mich mal interessieren.

Und das Zweite ist: Wir haben ja jetzt die Diskussion zum Thema Shared Space, also auch zur Entschleunigung des innerstädtischen Verkehrs, Berlin ist vielleicht jetzt ein schlechtes Beispiel, aber es gibt ja die Gemeinde in Niedersachsen – in der Nähe von Osnabrück – Bohmte heißt die glaub ich, die jetzt so als Modellprojekt ja … – wo ja im Prinzip so eine Auflösung zwischen diesen einzelnen Verkehrsteilnehmern ja auch herbeigeführt werden soll, ganz bewusst, um eine Entschleunigung im innerstädtischen Bereich, wo es auch nicht um Geschwindigkeiten geht, herbeizuführen. Insofern ist das ja auch eine Frage, wie wird beispielsweise sowas dann auch vom Gesetzgeber dann gehandhabt? Danke schön!

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön. Die Antwort, Herr Kasparick bitte.

Ulrich Kasparick (PSt beim BMVBS, SPD): Also, vielleicht als Satz vorne weg. Wir haben in Deutschland keine Radwegebenutzungspflicht. Das ist offensichtlich noch ein Relikt aus dem alten Stand der alten Straßenverkehrs-Ordnung. Wir haben mit der Novelle ausdrücklich gesagt: »Eine Benutzungspflicht muss zwingend begründet werden im Einzelfall«. Eine Stadt sagt, prinzipiell gibt es keine Benutzungspflicht, aber an bestimmten Straßen, an bestimmten Kreuzungen müssen wir aus Verkehrssicherheitsgründen eine Regelung treffen, die die Verkehre beispielsweise auseinanderzieht, so dass der Radfahrer eben auf der Radspur fährt und der motorisierte Verkehr auf der anderen. Weil es genau um diesen Punkt Unklarheit immer noch gibt, insbesondere mit den zuständigen Ländern und den Stadtplanern – also kommunale Aufgabe –, haben wir von Seiten des Bundes gesagt: Wir brauchen so etwas wie eine Fahrradakademie, wo wir Stadtplaner aus- und weiterbilden. Und die haben wir jetzt eingerichtet. Es gibt jetzt eine Fahrradakademie, die Stadtplanern helfen soll, durch europäischen Erfahrungsaustausch, durch nationalen Erfahrungsaustausch mit diesem Problem – beispielsweise der zu entmischenden Verkehre – mit Möglichkeiten elegante Lösungen zu finden, innerstädtische Verkehre zu lösen, so dass wir Umweltziele erreichen, dass wir Gesundheitsziele erreichen, dass wir Verkehrssicherheit erreichen.

Es gibt Städte wie Rotterdam und andere, die sehr, sehr gute Erfahrungen haben, wo man davon profitieren kann. Aber das ist mir wichtig hier in dieser Runde nochmal zu sagen. Die Straßenverkehrs-Ordnung sagt: Die Benutzungspflicht eines Radweges muss im Einzelfall erfolgen, und sie muss zwingend begründet sein. Es reicht also nicht, dass da irgendein Stadtplaner sagt, ich stelle da mal ein blaues Schild hin.

Allmählich spricht sich diese Gesetzeslage herum. Das führt nämlich dazu … Was wir beobachten können, ist, dass der eine oder andere Radfahrer vor die Verwaltungsgerichte zieht und sagt: Ich will aber das blaue Schild hier weghaben. Dann muss die kommunale Behörde nachweisen, warum das zwingend erforderlich ist. Und wir haben eine zunehmende Zahl von Fällen, wo die Verwaltungsgerichte die Benutzungspflicht wieder aufheben.

Deswegen sage ich nochmal – in der Zuständigkeit abgeschichtet –, was ist die Sache des Bundesgesetzgebers? Der Bundesgesetzgeber hat gesagt, es gibt keine Benutzungspflicht, es sei denn in begründeten Einzelfällen. Zuständig für die Anordnung dieser Einzelfälle ist nicht mehr der Bund, sondern sind die Bundesländer. Und die müssen dafür sorgen, im Gespräch mit den Kommunen, dass man zu vernünftigen, zielorientierten Stadtplanungen kommt. Es ist nicht Sache des Bundes zu überlegen, wie machen wir denn den Radverkehr am Alex. Das ist Sache der Stadt Berlin. Deswegen sage ich, aus Bundessicht sehen wir an dieser Stelle im Grunde keinen Veränderungsbedarf in der Straßenverkehrs-Ordnung, sondern es ist Sache der Länder, Bundesrecht so zu vollziehen, wie es vom Gesetzgeber gemeint ist. Und der Gesetzgeber hat es sehr großzügig geregelt – der Bundesgesetzgeber – und hat gesagt, ihr müsst im Einzelfall nachweisen, dass es wirklich erforderlich ist. Dann müssen die Länder dafür sorgen, dass es umgesetzt wird, und die Stadtplaner müssen es entsprechend einsetzen.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön! Jetzt hat Frau Lösekrug-Möller das Wort. Ich will nur mich entschuldigen dafür, Herr Hettlich ist kein Berichterstatter, in der Fahrrad [unverständlich] nachgemeldet, ich bin irritiert gewesen, weil …

Gabriele Lösekrug-Möller (P, SPD): … Damit habe ich überhaupt gar kein Problem, Frau Vorsitzende. Ich bin froh, ich habe gestern einen Radausflug hier in Berlin gemacht und freu' mich, dass ich hier also unversehrt sitze. Weil, zu diesem Thema könnte man eine ganze Menge sagen; auch die Fahrradfahrer und Fahrradfahrerinnen, Herr Kollege Hettlich, ne, sind manchmal auch nicht die von der reinsten Sorte. Aber darum geht es eigentlich garnicht. Ich möchte wissen, mir ist zu Ohren gekommen, dass – erfreulicherweise – das Verkehrsministerium einen Forschungsauftrag vergeben hat, um mehr Licht in das Dunkel zu bringen. Weil wir hier ja auch sehr viel subjektives Erleben haben, wir wissen, wir haben schon gehört, wir sind gar nicht immer zuständig und dennoch habe ich Kenntnis davon, dass es ein Forschungsvorhaben gibt, das stärker klären soll, wie kann man im Grunde genommen die Unfallgefahr, die ja der Petent hier ja auch vorträgt – sehr glaubwürdig –, noch weiter reduzieren; durch 'ne ganz bestimmte Wiedervermischung von Verkehren. Ich hörte, dass Ergebnisse dazu erst 2009 vorliegen sollen; ich glaub aber das Thema ist von so großer Bedeutung, vielleicht gibt es ja einen Zwischenbericht oder wann können wir erwarten, dass wir da erhellende wissenschaftliche Erkenntnisse bekommen?

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön Frau Lösekrug-Möller, Herr Kasparick?

Ulrich Kasparick (PSt beim BMVBS, SPD): Noch 2008.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Wird der uns zur Verfügung gestellt? Gut, dann kann der ja in unsere Überlegungen mit einbezogen werden. Danke schön. Frau Bluhm bitte.

Heidrun Bluhm (P, VBS, DIE LINKE): Ja herzlichen Dank Herr Hartung, dass Sie uns nochmal dargestellt haben, worum es Ihnen hier geht. Ich will das jetzt auch nicht weiter verlängern. Ich habe zwei ganz konkrete Fragen. Mir ist aus Ihrer Petition nicht ganz deutlich geworden, ob Sie mit Ihrer Petition die wirklich freie Wahl des Fahrradfahrers meinen, zu fahren, wo er möchte. Weil, die Begründung dafür fehlt mir noch etwas in Ihrer eigenen Position. Sie gehen davon aus, Unfallschutz und solche Geschichten. Und trotzdem hat das ja Konsequenzen auf die gesamte Verkehrsteilnehmerschaft, also auch auf Fußgänger, auch auf Autofahrer, auch auf diejenigen, die Verkehr regeln. Insofern meine Frage nochmal: Beabsichtigen Sie tatsächlich, den Fahrradfahrer gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern so weit zu privilegieren, dass er frei wählen darf, wo er fährt, und alle anderen nicht? Die zweite Frage: Ist Ihrerseits, wenn Sie diese erste Frage mit »ja« beantworten wollen, damit beabsichtigt, den Gesamtverkehr zum Beispiel auf innerörtliche Regionen zusätzlich zu beruhigen.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön. Bitte die Antwort, Herr Marten.

Christian Marten (stellv. Petent): Gut, ich fange hinten an, bei Frau Bluhm. Nein, es ist nicht gewünscht, dass ein Radfahrer völlig freie Wahl hat. Sondern, Fahrräder sind Fahrzeuge, Fahrzeuge müssen nach § 2 der Straßenverkehrs-Ordnung auf der Fahrbahn fahren. Das ist der Regelfall. Der Ausnahmefall ist, dass Radfahrer auf Radwegen fahren. Radwege sind ausdrücklich als Ausnahmefall in der Straßenverkehrs-Ordnung auch vorgesehen. Somit kann ich Ihre Frage mit »nein« beantworten. Regelfall ist, Fahrradfahrer gehören auf die Fahrbahn und nicht auf den Bürgersteig. Beantwortet das Ihre Frage? Damit ist die zweite Frage, glaube ich, hinfällig geworden.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke.

Christian Marten (stellv. Petent): Gut. Ich habe weiterhin das Wort?

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Ja. An wen antworten Sie?

Christian Marten (stellv. Petent): An Herrn Storjohann.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Ja.

Christian Marten (stellv. Petent): Sie nannten, dass in Berlin 75% der Radwege frei von blauen Schildern sind. Berlin ist in dem Fall eine Ausnahme. Das hat auch damit zu tun, dass in Berlin früh angefangen wurde, vor das Verwaltungsgericht zu gehen und illegal angeordnete Benutzungspflichten weg zu klagen. Die Stadt Berlin hat darauf reagiert, indem sie freiwillig viele Radwegbenutzungspflichten entfernt hat, wo sie nicht nachweislich der Verkehrssicherheit dienen. In anderen Städten sieht das anders aus. Es gibt etliche Städte, in denen die Benutzungspflicht der Regelfall ist. Berlin ist hier Ausnahmefall, eben bedingt durch die Mündigkeit der Bürger, frühzeitig geklagt zu haben.

Letztlich kann nicht die Frage sein: Welche Argumente sprechen für eine Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht? Eigentlich muss die Frage sein: Was spricht für eine Radwegbenutzungspflicht? Die Radwegbenutzungspflicht ist eine Einschränkung des fließenden Verkehrs, die, wie Sie richtig sagten, im Einzelfall nachgewiesen werden muss. Die Änderung ist jetzt seit acht Jahren in Kraft, und es zeigt sich eben, diese gesetzliche Regelung wird nicht so angewandt, wie sie gedacht ist. Darum ist es Sache des Bundes, dafür zu sorgen, dass die Regelung so im Sinne des Gesetzgebers Anwendung findet.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön Herr Marten. Ich sehe keine weiteren … Herr Storjohann, bitte.

Gero Storjohann (stellv. Vorsitzender P, VBS, CDU): Ich möchte gerne nachfragen, weil … Es geht ja um Verkehrssicherheit und um Unfälle mit Fahrradfahrern – allgemein gesprochen. Was mich dann interessiert – dass wir ja vielleicht dieser Zwischenbericht ausweisen –, wenn andere Städte vergleichbar mit Berlin eine geringere Quote haben der Radbenutzungspflicht oder eine höhere, ob sich das aus der Unfallstatistik signifikant irgendwie rauslesen lässt. Denn, wenn ich mir die Unfallstatistik hier in Berlin angucke, kann ich da eigentlich nicht viel d'raus ablesen. Auch wenn sich in letzter Zeit die Radwegebenutzungspflicht etwas gelockert hat.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön Herr Storjohann. Herr Marten bitte.

Christian Marten (stellv. Petent): Sie sehen an dieser Unfallstatistik der Polizei, dass sich an der Gesamtzahl der Unfälle im Grunde nichts geändert hat. Seit 2000 wird in Berlin massiv die Benutzungspflicht abgebaut. Die Unfälle sind aber nicht mehr geworden. Im Gegenteil ist es so, dass die Zahl der schweren Unfälle deutlich eher abgenommen hat; und das bei gleichzeitig deutlich steigendem Radverkehr. Vor 10 Jahren hatten wir etwa 6% Radverkehr in Berlin, heute liegen wir bei 12%. Also hat die Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht – auf zumindest 75% der Radwege – eindeutig positive Ergebnisse gebracht.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön … Ja, ganz kurz bitte.

Ulrich Kasparick (PSt beim BMVBS, SPD): Man muss bei der Beurteilung dieses Vorganges mit bedenken, dass die Benutzungspflicht genau an den Stellen wieder abgeschafft worden ist, wo sie gar nicht hätte eingeführt werden dürfen. Das muss man bedenken, wenn man die Folgen einer solchen Maßnahme in seiner Wirkung beurteilen will. Deswegen weise ich nochmal darauf hin. Der Bundesgesetzgeber sagt: Ihr müsst im Einzelfall begründen, wenn Ihr die Benutzungspflicht anordnet. Offensichtlich hat es in der Vergangenheit die Situation gegeben, dass man blaue Schilder aufgestellt hat, ohne diesen Nachweis zu erbringen. Wenn man diese Schilder jetzt zurückbaut, dann ist es nicht verwunderlich, wenn jetzt keine großen anderen Ergebnisse da raus kommen, weil die eben an Stellen standen, wo sie gar nicht hätten eingeordnet sein dürfen. Deswegen auch, an dieser Stelle rate ich zur Sorgfalt, sich das nochmal genau anzugucken. Die Frage ist immer ganz entscheidend – wir reden heute hier auf Bundesebene –: Gibt es einen Handlungsbedarf des Bundesgesetzgebers? Aus unserer Einschätzung im Bundesverkehrsministerium gibt es den nicht, weil die Straßenverkehrs-Ordnung die Flexibilität ermöglicht, die die Beurteilung im Einzelfall vor Ort sicherstellt. Alles andere ist nach dem Subsidiaritätsprinzip Sache der Länder und der Kommunen.

Kersten Naumann (Vorsitzende P, DIE LINKE): Danke schön für die ergänzenden Bemerkungen. Damit schließen wir Nummer fünf ab. Ich bedanke mich bei Herrn Marten. Und wir kommen zu Nummer sieben.